Verliebt, verlobt.

Ben und ich machen nie Urlaub. Wenn wir wegfahren, dann mit unseren Fahrrädern, unserem Zelt, unseren Isomatten, unseren Schlafsäcken und ein paar Kleidungsstücken zum Wechseln.

Radurlaub – die schönste Freiheit, die wir in dieser Welt bisher gefunden haben.

Unseren ersten Radurlaub am Drauradweg starten wir spontan, ohne Vorbereitung, ohne Training, sogar ohne richtiges Bikepacking-Zubehör mit dem wir unser Gepäck am Rad richtig anbringen können. Eine Wäscheleine und ein paar wasserdichte Packsäcke tuns auch. Das Fahrrad mit dem ich mich auf den Weg mache ist laut meinem ersten und letzten Fahrrad-Service ein Totalschaden, weil Carbonrahmen und weil Haarriss im Bereich ums Tretlager.

Uns egal, wie haben eine Karte für die Tour und starten ganz spontan los.

Von Südtirol bis nach Lavamünd in Kärnten, das wäre der Plan.

Es ist eine Offenbarung für uns beide.

Wir fahren und haben nur zwei Sorgen: Was essen wir heute und wo schlafen wir heute. Beides ist kein Problem: Essen gibts in jedem Supermarkt und schlafen können wir überall, immerhin haben wir unser Haus ja dabei.

Wir finden wunderschöne Stellen, an denen wir übernachten und die wir immer noch im Herzen tragen. Wir fahren immer weiter. Wir treffen nette Menschen am Weg, die auch mit ihrem Rad unterwegs sind und kommen ins Gespräch über dies und das.

Unter anderem mit Italiener, die wir in Kärnten vor einem Lidl treffen. Wir fragen sie wo sie hinfahren und sie sagen: nach Grado, ans Meer. Neugierig geworden recherchieren wir und bald ist klar: das wir unser nächstes Ziel! Das Meer! Mit dem Rad! Klingt traumhaft!

Wir bereiten uns also dieses Mal vor auf unsere zweite Radreise von Tirol nach Grado, ans Meer. Wir trainieren, machen Höhenmeter und Kilometer, fahren im Winter weiterhin mit dem Rad in die Arbeit, suchen uns eine richtige Bikepacking-Ausrüstung zusammen, ich kaufe mir ein neues Rad ohne Totalschaden…wir freuen uns ein ganzes Jahr auf dieses Projekt.

Im Juli 2023 geht’s los, wir fahren mit dem Zug nach St. Johann in Tirol, weil dort der Mozartradweg bis nach Salzburg führt. Von dort können wir dem Alpe Adria Radweg folgen. Die ersten zwei Tage sind eine Challenge. Wir haben zwar trainiert, haben aber unterschätzt wieviel das Gepäck am Rad wiegt und um wieviel schwerer unsere Räder jetzt sind.

Aber wir lassen uns nicht einschüchtern, wir radeln tapfer weiter, langsamer als gewohnt aber stets mit dem Ziel „Meer“ vor Augen.

Ben hat eine Einwegkamera dabei. „Komisch“ denke ich mir als er sie kauft. „Er macht doch sonst nie Fotos von irgendwas.“

Es ist eine schöne Reise – anstrengend, ohne Frage – aber schön. Schöne Landschaften, schöne Wege, schöne Erinnerungen.

Der letzte Tag war genauso anstrengend wie die Tage vorher, aber lohnender, weil wir schon beim Aufstehen wussten: heute kommen wir an unserem Ziel an.

Es sind noch mehr als 100 Kilometer zu fahren, aber die Zahl schüchtert uns nicht mehr ein, in den letzten vier Tagen haben wir insgesamt schon über 400 Kilometer überwunden. Wir starten zu schnell los und bald sind wir erschöpft, müssen langsamer treten. Die Kilometer rutschen nicht mehr so dahin wie am letzten Tag, an dem es viel bergab ging. Ich bin unendlich dankbar für seinen Windschatten, ohne ihn wäre ich an dem Tag nicht unten angekommen. Am nächsten vielleicht oder am übernächsten. Aber er lässt mich immer weiter wachsen mit seiner Beharrlichkeit und seiner beeindruckenden Willenskraft.

Irgendwann sind wir in der letzten Ortschaft vor Grado, die ich von der Karte her schon kenne. Aquileia. Ich weiß: weit kann es nicht mehr sein. Und tatsächlich, irgendwann sehen wir zum ersten Mal das Meer. Wir müssen stehen bleiben, so gerührt sind wir. Wir weinen beide ganz glückliche Tränen. Wir haben es geschafft! Wir haben uns tatsächlich hierher gekämpft! Gemeinsam!

Die letzten fünf Kilometer kenne ich auch von der Karte. Es ist eine lange Brücke, links und rechts Meer. Immer wenn ich diese Brücke gesehen habe, dachte ich mir: „Ach, die letzten Kilometer verfliegen sowieso wie nix! Da sind wir ja quasi schon da und das Meer ist auch um uns herum!“

…es ist nicht so! Die letzten Kilometer sind trotz einem kurzen Bad im Meer mit die anstrengendsten auf der gesamten Reise. Mein Hintern tut mir leid, ich tue mir leid, Ben tut mir leid. Irgendwann sind wir im Hotel und ich bin froh, das Rad wegsperren zu können, zumindest für heute und morgen.

Abends gehen wir bei Sonnenuntergang zum Strand. Ich bin hundemüde, alles tut mir weh, ich könnte mich direkt auf den Sand legen und schlafen. Ben sagt ganz viele Sachen, an die ich mich danach nicht mehr erinnern werde, weil ich so saumüde bin. Ein wenig bleibt hängen: „Wir haben diese Reise gemeinsam geschafft, trotz schwerer Tage, trotz Steigungen, wir haben gemeinsam daran geglaubt und es geschafft.“

Und weil ich mir einen guten Mann ausgesucht habe, lässt er diese Gelegenheit nicht verstreichen für einen perfekten Heiratsantrag.

Er kramt einen Ring aus einem schwarzen Samtbeutel.

„Möchtest du dein restliches Leben mit mir gemeinsam verbringen und gemeinsam kämpfen?“

Wir weinen schon wieder nach meinem „JA!“ über das ich nicht einmal nachdenken muss. Und weil er tatsächlich an alles gedacht hat, gibt es vom Antrag sogar ein Video für mich.

Müde bin ich danach nicht mehr, nur sehr sehr glücklich.


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