Der Schicksalsdrache – Kapitel 4

Der Anblick war einfach Atemberaubend! Vor allem die Schuppen waren von unbeschreiblicher Schönheit. Solch eine Farbe hatte ich bis jetzt noch nie gesehen. Obwohl ich davon gehört hatte, dass es sie geben soll, habe ich mir nie viele Gedanken darum gemacht wie schön sie sein musste. Doch jetzt würde ich bestimmt lange an nichts anderes mehr denken können.

     Sie hatten die Farbe satten Goldes. Es schimmerte und glitzerte im Sonnenlicht und reflektierte die Sonnenstrahlen so, dass sie sich in allen möglichen Farben widerspiegelten. Sogar die dünnen Flughäute waren bedeckt mit tausenden von schimmernden Goldmustern, die sich über die ganze Spannweite ausbreiteten.

     Schon ab dem ersten Anblick, war mir aufgefallen, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Doch solange ich sie auch musterte- es war mir eine Freude sie zu beobachten- ich kam nicht dahinter, was es war.

     Sie erblickte mich und schaute mir neugierig in die Augen.

     In diesem Augenblick passierten viele Dinge gleichzeitig. Ich ging eilenden Schrittes auf sie zu. Dabei erkannte ich was es war, das ich mir nicht erklären konnte und mir so merkwürdig vorkam. Sie hatte nicht, so wie alle Drachen, die selbe Augenfarbe, die die Schuppen auch haben. Sie hatte Stahlblaue. Sie war somit eine wandelnde Merkwürdigkeit, ein Unikat. So etwas wie sie gab es kein zweites Mal. Gleichzeitig verspürte ich eine tiefe Verbundenheit mit ihr. So als würden wir zusammen gehören, so als ob es ein Naturgesetz wäre, dass wir verbunden sind und immer gemeinsam durch die Länder ziehen.

So als ob wir uns schon ewig kennen würden…

     Als ich sie erreicht hatte, schickte sie mir kurz in Gedanken: ‚Folge mir!‘

Sie flog mit drei kräftigen Flügelschlägen gen Westen davon.

Ohne zu Zögern folgte ich ihr. Wir überquerten viele Bäche, Flüsse, Wälder und lang gezogene Graslandschaften. Durch ihre enorme Größe hatte sie einen beträchtlichen Vorsprung. Sie flog jedoch immer gerade so schnell, dass ich sie ohne Probleme im Blickfeld behalten konnte.

     Während wir so dahin flogen, dachte ich über die, mir noch unbekannten Gefühle nach. Warum war sie mir so vertraut und bekannt? Hatte ich sie schon einmal gesehen? War sie mir in einer Vision begegnet, die ich nur verdrängt hatte?

War sie für mich vorbestimmt? Fühlte jedes Männchen diese Gefühle, wenn es das erste Mal eine Weibchen sah, oder sogar immer, wenn es einem Drachen anderes Geschlechts begegnet?

     Ich wurde unsanft aus meinen Grübeleien gerissen, als der Drache vor mir mit einem lauten Schrei und angelegten Flügeln in die Tiefe, des unter uns liegenden Landes hinab stieß. Ich folgte ihr mit dem selben Manöver. Normalerweise war ich sehr elegant in der Luft, wahrscheinlich eleganter als jeder andere Drache, aber dieses Weibchen brachte mich dermaßen aus der Fassung, dass ich fast vergessen hätte den Schweif in die richtige Richtung zu drehen. Im letzten Moment konnte ich meinen läppischen Fehler korrigieren und landete ziemlich unsanft auf dem harten Erdboden. Ich rappelte mich

ungeschickt auf. Leider musste ich bald feststellen, dass das Weibchen alles  beobachtet hatte. Sie schenkte mir einen schnellen abschätzigen Blick und wendete sich ab. Sie trottete in eine lichte Baumgruppe. Erst jetzt beäugte ich mein Umfeld, in dem ich die Bruchlandung hingelegt hatte.

     Es war gespickt mit einzelnen Grasbüscheln und Baumgruppen. Mit meinem feinen Gehör, fing ich die Geräusche eines rauschenden Baches ein. Ich lauschte ihnen ein bisschen zu lange.

„Kommst du?“

     Sofort schlug ich meine Augen auf. Das Weibchen hatte eine glockenhelle Stimme. Ihr zu lauschen, war…unbeschreiblich. Sie löste die schönsten Gefühle in mir aus, die ich je gehabt hatte.

     Als ich mir wieder der Situation bewusst wurde, in der ich mich befand, versuchte ich sinnvoll zu antworten. In meinem Kopf herrschte jedoch unglaubliches Chaos und es ließ sich keine Antwort finden, die nicht so geklungen hätte, als wäre ich komplett von der Rolle. Sie verstand anscheinend meine Schwierigkeiten, ihre Frage zu beantworten. Sie trottete schwermütig auf mich zu. Bevor ich eigentlich richtig denken konnte, was ich sagte, sprudelte es mir aus der Schnauze. Es klang spitzer als gewollt.

„Wer bist du?“

Überrascht, dass ich nun doch sprach, blickte sie zu mir hinab. Sie war zwar nicht sehr viel größer, aber doch so hoch, dass ich zu ihr aufschauen musste. Mit ihrer wunderschönen Stimme antwortete sie: „Clivarim. Ich bin vor 486 Jahren meinem Ei entschlüpft. Ich komme von weit her, von einer dir sicher unbekannten Insel. Deren Name ist Vorturnin. Meine Eltern sind mir unbekannt, ebenso wie meine Geschwister. Ich weiß nur, dass deren Namen mit ‚-im‘ enden müssen. Wer bist du?“

Mein Kopf schwirrte. Doch dieses Mal nicht wegen der aufregenden Stimme, sondern wegen den Wörtern, die diese wunderbare Stimme und der dazugehörende Drache geformt hatten. Ich antwortete wie unter Trance: „Mein Name ist Kavarim. Ich bin vor 486 Jahren meinem Ei entschlüpft.“

…da wollte dann mein 10-Jähriges Ich nicht mehr 🙂


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